Franz John aus Pritzwalk legt den Grundstein für Deutschlands erfolgreichsten Fußballverein

von Günter Brüggemann

Ein rot-weißes Banner ziert am ersten Sonntag im Oktober 2017 die Gäste-Kurve im Berliner Olympiastadion. Der Deutsche Fußballmeister FC Bayern München spielt bei Hertha BSC. Die Bayern-Fans präsentieren den gut 71 000 Zuschauern auf dem Spruchband eindringlich das Gründungsdatum ihres Klubs: den 27. Februar 1900. Tradition macht stark und selbstbewusst, gerade in Zeiten zunehmender Kommerzialisierung des Fußballs. Und es ist anzunehmen, dass die geschichtsbewussten Anhänger wissen, wie `nah` sie damit dem wichtigsten der Gründungsväter ihres Lieblingsvereins und erstem Vereinsvorsitzenden gekommen sind.

Rückblende. Es ist der 28. September 1872. Pritzwalk in der Prignitz, gelegen im Nordwesten der preußischen Provinz Brandenburg. Nur etwa 130 Kilometer von Berlin entfernt. Der Ort ist ins Dunkel getaucht. 23 Uhr. In der Bergstraße erblickt Franz Adolf Louis John das Licht der Welt. Seine Eltern sind Wilhelm und Ida John, Wilhelm ist Postsekretär. Er stammt aus dem schlesischen Greiffenberg, Ida kommt aus Wuppertal.

Es ist nicht überliefert, ob der kleine Franz etwa ein ruhiges Baby war oder welches Wort er zuerst brabbelte, vielleicht war es „Ball“….. So hätte es zumindest sein können. Denn überliefert ist, dass Franz John einmal eine wichtige Person im deutschen Fußball werden würde. Eine ganz besondere Bedeutung erlangte er für den heutigen deutschen Rekordmeister und –pokalsieger aus München.

Dem FC Bayern werden ob seiner vielen sportlichen Erfolge Sieger-Gene nachgesagt. Diese wären dann in Brandenburg angelegt worden! Der bayrische Welt-Verein hat somit brandenburgische Wurzeln. Mit den für Einheimische typischen Eigenschaften wird sich Franz John in seinem Leben viel Anerkennung erwerben. So sagt er einmal von sich, dass ihm Eigenliebe und Eitelkeit „stets fern gelegen“ haben, er sich ungern in den Vordergrund stelle. Dazu gesellen sich bei ihm Konsequenz und Zielstrebigkeit.

Umzüge nach Pankow, Jena, München

Cirka 700 Kilometer liegen zwischen Pritzwalk und München. Eine Distanz, die Franz John über mehrere Zwischenstationen zurücklegen sollte. Am Beginn dieser „Reise“ steht der Umzug mit seinen Eltern, den zwei Schwestern Emma und Gertrud sowie dem Bruder Georg nach Pankow, das erst 1920 von Berlin eingemeindet wird. In dem Städtchen stellt Franz sein Sportinteresse und -talent unter Beweis. Er schließt sich 1893 dem im gleichen Jahr gegründeten VfB Pankow an. Ist als Fußballer aktiv und nimmt an Radrennen teil. Im Verein macht er die Bekanntschaft mit Gustav Manning, dem ersten Schriftführer des Deutschen Fußballbundes (DFB). Diese Begegnung wird noch von Bedeutung sein.

In Pankow hält es Franz John nicht sonderlich lange. 1896 beginnt er in Jena vermutlich eine Ausbildung zum Fotografen. Seit dem 17. September 1899 ist er dann unter dieser Berufsbezeichnung in München gemeldet. John, der sich in der Festschrift zum 25. Jubiläum des FC Bayern einen „alten Fußballer und Rasensportler“ nennt, sucht sich dort konsequenterweise einen Verein und wird Mitglied beim Männer-Turn-Verein (MTV) München 1879. Jetzt kommt Gustav Manning wieder ins Spiel. Er gibt John den freundschaftlichen „Auftrag“ dafür zu sorgen, dass der MTV dem Verband Süddeutscher Fußball-Vereine (SFV) beitritt – was der von Turnern dominierte Vorstand jedoch ablehnt.

Gründung des FC Bayern

Dies lässt sich Franz John nicht lange bieten. Einem Brandenburger tanzt man nicht auf der Nase herum! Seine Antwort heißt: „Die Gründung eines Fußballklubs, der (……) die sportliche Führung in München übernimmt“. Am 27. Februar 1900 ist es dann soweit. Franz sowie zehn weitere gleichgesinnte Fußballer verlassen unter Protest die Hauptversammlung des MTV und schreiten in der Gaststätte Gisela in der Maxvorstadt zur Gründung des FC Bayern. John wird zum ersten Vereinsvorsitzenden gewählt und bleibt in dieser Funktion bis 1903. 1925 schreibt der Verein in seiner Jubiläumsbroschüre: „Es ist daher nicht zu viel gesagt, wenn wir in Franz John den eigentlichen Gründer des FC Bayern sehen“. Rückblickend auf seine Amtszeit heißt es in dem Band: „Drei Jahre leitete unser John die Geschicke des FC Bayern, der durch seine nie erlahmende Kraft und Tätigkeit“ (…….) manche Krise zu überstehen half. Franz John führt den Verein rasch zu sportlichen Erfolgen: Der erste Gegner ist im März 1900 der 1. Münchner FC 1896, die Bayern gewinnen mit 5:2. Sehr schnell wird der Klub Münchner Meister, und zwar in Serie: 1901/1902, 1902/1903, 1903/1904. 1926 erringen die Bayern die erste Süddeutsche, 1932 die erste Deutsche Meisterschaft. Die Mitgliederzahl steigt.

Rückkehr und bleibende Kontakte zum FCB

1904 kehrt John nach Pankow zurück, wo er ein Fotolabor aufmacht. Er engagiert sich wieder bei seinem Stammverein VfB und übernimmt 1905 für zwei Jahre auch dort das Präsidentenamt. Seine Laufbahn als Funktionär setzt er 1910 als Mitglied im Satzungsausschuss des Verbands Brandenburgischer Ballspielvereine (VBB) fort.

Der FC Bayern München vergisst Franz John – anders als oft behauptet – nach dessen Wegzug nicht. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens wird er Ehrenvorsitzender des Vereins. 2017 wertet das Archiv des Vereinsmuseums zahlreiche Briefe aus, die sich John und der Verein zwischen 1947 und 1952 schrieben.

In ihnen wird unter anderem seine angegriffene Gesundheit und die wirtschaftlich prekäre Lage in Ost-Berlin ersichtlich, woraufhin sich der FCB sehr besorgt äußert. Zu Weihnachten schickt er dem ehemaligen Vorsitzenden auch schon mal Lebensmittelpakete. Zum 50. Vereinsjubiläum wird er nach München eingeladen, kann aber nicht kommen. Franz John korrespondiert auch mit dem langjährigen FCB-Vorsitzenden Kurt Landauer, wie er Ehrenpräsident des FC Bayern. Er versucht so gut es geht, weiter Anteil zu nehmen am sportlichen Fortkommen des Vereins und erhält aus München dazu Informationen. Im Oktober 1952 resümiert John: „(…..) grad meine Münchner Jahre, sie waren doch meine schönsten“.

Andenken bewahren

Franz John stirbt am 17. November 1952 um 0.45 Uhr im Alter von 80 Jahren in Pankow. Der FC Bayern München zeigt sich „tief erschüttert“. Seine letzte Ruhestätte findet er in Fürstenwalde, womit sich Johns Lebenskreis in Brandenburg schließt. Seine Schwester Gertrud lebt zu dieser Zeit dort.

Zurück in die Gegenwart. Es ist der 17. November 2017, der 65. Todestag von Franz John. Fürstenwalde an der Spree. Fans des FC Bayern bewahren ihrem Vereinsgründer heute ein ehrendes Andenken. Stolz tragen sie Kleidung, Mütze und Schal ihres Lieblingsvereins. Manche kommen mehrmals im Jahr hierher. Am Ende einer langen Reihe von Gräbern stehen sie an einem dunklen Marmorstein mit gold-glänzender Inschrift: „Im Gedenken an FRANZ JOHN. Erster Präsident des FC BAYERN MÜNCHEN“ und legen einen Kranz nieder. Im Jahr 2000, anlässlich des 100. Jahrestages der Vereinsgründung, hat der Klub auf Initiative von Fans den Stein auf dem bis dahin schlichten Grab aufstellen lassen und zahlt die Liegegebühr.

Auch Mitglieder des „Franz John Fördervereins“ aus seiner Geburtsstadt Pritzwalk sind an diesem Tag nach Fürstenwalde gekommen. Wobei dieser Besuch nur eine Aktivität der Bayern-Fans aus der Geburtsstadt von Franz John ist. Sie finden, dass der Bayern-Gründer noch zu wenig bekannt ist und wollen darauf aufmerksam machen, welche bedeutende Persönlichkeit 1872 in Pritzwalk geboren und 1952 auf dem Friedhof in Fürstenwalde zu Grabe getragen wurde. Kürzlich haben die Pritzwalker sogar ein Fan-T-Shirt mit einem Portrait Johns aus den späteren Lebensjahren produzieren lassen. Sie setzen sich dafür ein, in Pritzwalk einen Weg nach Franz John zu benennen. Zudem planen die sehr aktiven Bayern-Anhänger zu dessen 70. Todestag und 150. Geburtstag im Jahr 2022 eine Sonderausstellung im Pritzwalker Museum. Sie stellen ferner Recherchen zu seiner Zeit in der Prignitz sowie in Berlin-Pankow an und suchen nach Zeitdokumenten seines dortigen Wirkens als Fotograf.

Die Bundesliga-Begegnung im Berliner Olympiastadion geht übrigens 2:2 Unentschieden aus. Nach einer 2:0 Führung der Bayern! Was Franz John wohl dazu gesagt hätte……….?